PD Dr. Stefan Bosse
Universität Bremen, Mathematik und Informatik
8.7.2020
sbosse@uni-bremen.de |
Ein intelligentes Material bietet die folgenden Hauptmerkmale:
Perzeption unter Verwendung verschiedener Arten von Sensoren, z. B. Messen von Dehnung, Verschiebung, Temperatur, Druck und Kräften;
Änderung lokaler Material- und Struktureigenschaften durch Aktuatoren, z. B. Steifigkeits- oder Dämpfungsänderung;
Datenverarbeitung, Sensorfusion, Steuerung, Maschinelles Lernen
Lokale Sensorverarbeitung und Aktuatorsteuerung - Globale Zusammenarbeit und Koordination.
Robustheit, Selbstorganisation, Selbstadaptivität, Selbstheilung
Smarte Materialien: Fusion von Sensorischen- und Adaptiven Materialien mit Informationsverarbeitung
Ein Material oder Struktur mit integrierter Sensorik und Datenverarbeitung (ICT)
Ein Material mit integrierter Sensorik, Datenverarbeitung und Aktoren, die Materialeigenschaften steuern und ändern können
Ein Material oder eine Struktur mit integrierter Sensorik, Datenverarbeitung und Aktoren, die Materialeigenschaften oder Strukturformen steuern und ändern können
Synonym für robotisches Material (oder vice versa)
Eigenschaften und Strukturgrößen der Materialien und Werkstoffe
Eigenschaften und Strukturgrößen von Mikrosystemen
Eigenschaften und Strukturgrößen von robotischen Systemen
Thermisch stimulierte Polymere (Thermoplaste), optisch stimulierte Polymere, aktiv angetriebene Mikroaktoren, Ferrofluide, ..
Temperatur, Dehnung, ..
Adaptives Material → Mikroebene, kontinuierliches Material, diskrete Sensor-Aktor Knoten
Robotisches Material → Mesoebene, kontinuierliches Material, aber segmentiert, diskrete Sensor-Aktor Knoten
Grundprinzip: Kontinuierliche Materialeigenschaften mit diskreter bereichsbasierter Berechnung
[5,6] ε: Lokaler Dehnungstensor, σ: Lokaler Spannungstensor
Sensorische Materialien sind Materialintegrierte Intelligente Sensorische Systeme [9]
Material. Technische Strukturen, wie z. B. mechanische Strukturen in robotischen Systemen, e-Textilien, Windradflügeln, Flugzeugstrukturen, usw.
Sensor. Messung einer physikalischen Größe, Wandlung i.A. in elektrische Größe, Intrinsisch (innerer Zustand / Stimulus), Extrinsisch (von außen her angeregt), z.B. Dehnungssensorik
Sensorisches System. Zusammenschluss von Sensoren, Elektronik, Kommunikation und Energieversorgung in Sensornetzwerken
Sensorisches Material. Integration oder Applikation eines sensorischen Systems in Materialien oder Strukturen [9]
Bedingt durch Anwendung und Technologie sind verschiedene Integrationsgrade von Sensornetzwerken möglich:
Externe Sensorik, externe Überwachung → Immer möglich, keine speziellen Technologien erforderlich
Oberflächenapplikation → Meistens möglich, erfordert allgemein verfügbare Klebetechnologien
Oberflächenintegration → Außenbereich eines Materials oder einer Struktur → Erfordert spezielle Fertigungstechnologien
Volumenintegration → Innenbereich eines Materials oder einer Struktur → Erfordert spezielle Fertigungs-, Sensor-, und Datenverarbeitungstechnologien
Intrinsische Materialeigenschaften → Sensormaterial
Existierende “Nano”-Computer:
Micro Mote M3 | ELM System |
[Hitachi]
Erweiterung mit (einfachen) Analog-Digital Wandlern für aktive Sensorknoten möglich
Problem: Speicher!
Integration von Sensoren eher hybrid als monolithisch
Bedeutung:
Normalerweise wird die Berechnung von Sensorerfassung und Steuerung getrennt
Smarte Materialien stellen die enge Verbindung zwischen
Algorithmische Skalierung und Verteilung sind erforderlich
Mooresches Gesetz sagte starke Miniaturisierung voraus
Jedoch die Informatik und deren Methoden konnten nicht immer folgen → Lücke zwischen Hardware und Software
Eine normalisierte Recheneffizienz eines Computers (nur unter Berücksichtigung der Datenverarbeitungseinheit) kann definiert werden durch:
Chipfläche in mm2
Rechneleistung in Mega Instruction per Second (MIPS)
Elektische Leistungsaufnahme in W
Die Recheneffizienz kann verwendet werden, um verschiedene Computer und Geräte zu vergleichen, d.H. einen Skalierungsfaktor anzugeben:
Micro Mote (M3 ) | ELM System | Atmel Tiny 20 | Freescale KL03 | ARM Cortex Smart Phone | |
Processor | Arm Cortex M0 | C8051F990 (SL) | AVR | Arm Cotex M0+ | Arm Cortex A9 |
Clock | 740kHz max. | 32kHz | - | 48MHz | 1GHz |
CPU Chip Area | 0.1mm2 | 9mm2 | 1mm2 | 4mm2 | 7mm2/ROM |
Sensors | Temperature | - | - | - | Temp, Light, Sound, Accel., Press., Magn. |
Communication | 900MHz radio, optical | optical | electrical | - | 3G/4G, WLAN, USB, Bluetooth, NFC |
Harvester, Battery | Solar cell, Thin film | Solar cell, Coin | - | - | - |
Power Consumption | 70mW / CPU | 160mW / CPU | 20mW | 3mW @ 48MHz | 100mW avg., |
Manufacturing | 180nm CMOS | - | - | - | 40nm CMOS |
Package | Wire bonded | Silicon Stack | PCB | Single Chip | Single Chip |
Computing Eff. ε | 150 | 0.02 | 0.6 | 4.0 | 0.53 |
Jedes Element enthält einen eingebetteten Computer, der als Knoten in einem Kommunikationsnetzwerk betrachtet wird.
Jeder Knoten bietet:
Da die verteilte Erfassung und Steuerung des Materials durch einen agentenbasierten Ansatz erfolgen soll, muss jeder Knoten eine Agentenverarbeitungsplattform (APP) bereitstellen → Virtualisierung.
Agenten müssen über eine Hardware-Abstraktionsschicht (HAL) auf Sensoren und Aktoren zugreifen, die von der APP bereitgestellt wird.
Eine Komponente aus einem intelligenten adaptiven Material besteht aus einem Netzwerk mit:
Körpermasseknoten mit Federn, die Knoten verbinden:
Eine Feder ist ein Stellglied mit zwei Stellvariablen:
Steifigkeit s, Dämpfung d
Jede Feder ist auch ein Dehnungssensor, der den Sensorwert σ liefert → Für Berechnung der Beobachtungsvariable
Das diskrete Netzwerk aus Sensor-Aktor Knoten wird in einem dreidimensionalen Maschennetzwerk angeordnet
Im Mehrkörpermodell bedeutet ein Masseknoten = ein Rechnerknoten im Netzwerk!
D.h. das physikalische und informatische Netzwerk überlappen sich
Die Masseknoten sind mit bis zu 24 Nachbarknoten über die Federn = Aktoren verbunden
Verringerung globaler und lokaler Spannungen, Dehnungen oder Kräfte von beliebig geformten Komponenten unter verschiedenen Lastsituationen
Wahrnehmung der Materialzustandes mit Sensoren (Sensorik)
Vergleich lokaler und globaler Beobachtungsvariablen
Änderung von Materialparametern durch Aktuatoren
Die Mehrphasen-Topologieoptimierung ändert die Topologie oder Form der Struktur nicht. Es findet eine optimale räumliche Verteilung mehrerer unterschiedlicher Materialien statt, um höchste Steifigkeit zu erreichen.
Eine Anwendung der Multiphasen-Topologieoptimierung besteht darin, ein optimales Porositätsdesign einer mechanisch (statisch) belasteten Struktur zu erzeugen - ähnlich der Porositätsverteilung in Knochen
Die Steifigkeit einer mechanisch belasteten Struktur wird durch räumliche Umverteilung mehrerer offenzelliger Stoffe (Schäume) mit unterschiedlichen Porositäten p optimiert!
Ziel ist die Minimierung der totalen Dehnungsenergie U → min der Struktur / des Materials durch Umverteilung
Annahme: Die Struktur wird in eine Menge von finiten Volumen mit unterschiedlichen Materialien { m1,m2,.. } unterteilt, die verschiedene Elastizitätsmatrizen D besitzen
Durch geeignete Verteilung lässt sich unter Annahme von Belastungssituationen einem Minimierung von U erzielen, gegeben durch [5]:
ε: Dehnungstensor, D: Spannungstensor
Dynamische Umverteilung der Materialsteifigkeiten bei:
Makroskopsische Materialbereiche könnten mit robotischen Materialien umverteilt werden
Globales Modell
| Segmentiertes Modell
| Nachbarschaftsmodell
|
Das Grundprinzip der Optimierung verwendet einen
Das System und Netzwerk besteht aus:
Der segmentierte Algorithmus führt die Modifikation von Elementen aus, die in Segmenten basierend auf lokal begrenzten Daten partitioniert sind.
Der Nachbarschafts-Algorithmus führt die Elementmodifikation nur zwischen zwei benachbarten Knoten durch (Punkt-zu-Punkt).
Es gibt verschiedene Ansätze und Funktionen kU, die den aktuellen Verhältnisparameter unter Verwendung der Dehnungsenergie U (= Boebachtungsvariable x) berechnen.
Das vorgestellte Optimierungsproblem ist inherent verteilt: Sensoren (Sensordaten) und Aktoren sind verteilt
Klassischer Ansatz in SHM und Sensornetzwerken:
Die zentrale Sensorverarbeitung und Aktuatorsteuerung ist aus Skalierungs- und Effizienzgründen nicht auf die vorgeschlagene intelligente Struktur und das Materialmodell anwendbar.
Die Ressourceneinschränkungen verbieten den Einsatz herkömmlicher Datenverarbeitungs- und Kommunikationsarchitekturen.
Darüber hinaus ist es aus Gründen der Robustheit und Flexibilität wünschenswert, Hardware und Software vollständig zu entkoppeln.
Paradigma: Die Zerlegung eines komplexen Problems in mehrere kleine Entitäten mit niedrigem Komplexitätsgrad wird idealerweise vom Agentenmodell widergespiegelt.
Jeder Knotenagent sendet seine Sensorwerte an benachbarte Knoten innerhalb eines Bereichs vom Radius 1
Damit wird die Menge der Sensoren, die jeder Knoten benötigt, gebildet
Signale werden für die Sensorverteilung mithilfe von Δ-Distanz-Routing verwendet
Globale Berechnung in einem großen verteilten Netzwerk ist teuer und schwierig (Ausfälle)
Der segmentierte Ansatz erfordert eine Netzwerksegmentierung
Ohne zentrale Instanz schwierig;
Stattdessen wird ein schwebendes Segmentfenster um jeden Knoten gelegt
Jeder Knoten kann von allen direkten Nachbarn beobachtet werden (Richtung Norden, Süden, Westen, Osten, oben, unten)
Eine verkettete Verteilung von Daten wird in jedem Segment verwendet (N Knoten ↔ N Segmente!)
Werte der Beobachtungsvariablen mit Abstand r = 1 und r = 2 werden von jedem Knoten erfasst, um den Regionswert zu ermitteln
Kann von direkten Nachbarn beobachtet werden
Direkte Nachbarn liefern auch Werte von ihren Nachbarn (entgegen der Anforderungsrichtung)
Aufgrund der derzeit noch beschränkten technologischen Möglichkeiten wurde auf eine Simulation zurück gegriffen → Machbarkeitsstudie
Um ein robotisches oder adaptives Material simulieren zu können bedarf es verschiedener Modelldomainen:
Es muss eine enge Kopplung von mechanischer/physikalischer Simulation und der Datenverarbeitung/Kommunikation der Agenten geben!
Multidomain:
Alle Domainen sind gekoppelt, d.h.
Simulation nahezu in Echtzeit (bzw. in real zu erwartenden Zeitskalen)
MBP lässt nur eine Näherung der dynamischen Verhaltenssimulation von Materialien (eher Strukturen) zu - Vorteil: geringe Rechenzeit
FEM bietet genauere Lösung und Untersuchung des statischen Verhaltens von Materialien und Strukturen
Neben MAS und MBP Simulation ist eine Einbindung und Kopplung von FEM Werkzeugen wie Abaqus möglich
MAS Welt
| Physikalische Welt |
Reduktion der inneren Dehnungsenergie um mehr als 30% möglich
Globaler (zum Vergleich) und segmentierter Ansatz liefern annähernd gleiche Ergebnisse!
Smarte Materialien besitzen perzeptive und adaptive Eigenschaften
Integration von Material, Sensor, Aktor, Datenverarbeitung, Kommunikation, Energie
Adaption von Materialien und Strukturen auf unterschiedliche Last- und Betriebssituation ist ein Minimierungsproblem
Die Datenverarbeitung in adaptiven Materialien muss dezentral und verteilt umgesetzt werden → Skalierbarkeitsproblem!
Die Simulation von smarten adaptiven Materialien erfordert die enge Kopplung von Datenverarbeitung und Physik
Multiagentensysteme sind geeignet um verteilte, robuste und selbstorganisierende Datenverarbeitung eines Minimierungsproblems zu ermöglichen
Es konnte anhand einer Fallstudie die Eignung von MAS und dezentraler lokaler Optimierung mit globalen Ziel gezeigt werden
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